Huch, Wochenkrippen-Trauma fehlt

“Du bist komisch!”, bekomme ich oft zu hören.
Oder die Phrase: ”Dich soll einer verstehen!”, liegt mir regelmäßig zu Füßen.
Was mir auch recht häufig gesagt wird, ist: “Du bist aber auch kompliziert!” Es vergeht kaum ein Tag, an dem mir meine Normabweichung nicht kopfschüttelnd und augenverdrehend unter die Nase gerieben wird.

Dank Deutschlandfunkkultur.de habe ich für mein Anderssein eine logische Erklärung. Lotta Wieden verfasste einen Artikel mit der Überschrift:

Alltag in der DDR
Die Wochenkrippen-Kinder

Beitrag vom 17.01.2017

Viele DDR-Kinder verbrachten ihre Kindheit in Wochenkrippen, mit oft weitreichenden Folgen. Forschungsergebnisse, die auf Nachteile für die Entwicklung der hinwiesen, unterdrückte die DDR. Heute arbeiten Betroffene und Forscher die Folgen auf.

Wochenkrippen-Kinder. Die meisten von ihnen dürften heute zwischen 40 und 60 Jahre alt sein. Wie viele es genau gewesen sind? Niemand weiß es. Denn bislang gibt es kaum Untersuchungen zu diesem Thema. Eigene Hochrechnungen zeigen jedoch, dass auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zwischen 1949 und 1989 Hunderttausende von Säuglingen und Kleinstkindern werktags in Heimen betreut wurden. (…)

Ja, ich bin ein DDR-Kind und ja, ich war als Kleinkind in einer Wochenkrippe, auch wenn die Altersangabe zwischen 40 und 60 nicht auf mich zutrifft. Bis zu diesem Artikel war es komplett neu, dass sich wissenschaftliche Leute mit einem solchen Themengebiet auseinandersetzen.
Ich bin schockiert, um nicht zu behaupten, ich fühle mich wie eine Aussätzige. “Ach guck, die war als Kind in der Wochenkrippe. Kein Wunder, dass all ihre Tassen in ihrem Hängeschrank einen Sprung haben!”

Die DDR in den 50er-Jahren: Der Aufbau der sozialistischen Gesellschaft hat begonnen. Es gilt die Sechs-Tage-Woche, auch für Mütter. Artikel 7 der noch jungen Verfassung lautet: „Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben“.  Doch die Gleichberechtigung gilt nur für Frauen und nur am Arbeitsplatz. Die Frage, wer sich um die Kinder kümmert, trifft besonders alleinerziehende Mütter. (…)

Ok, aber die Tatsache, dass sich hauptsächlich Frauen um die Erziehung des Kindes/der Kinder zu kümmern haben, ist auch 21 Jahrhundert nicht anders. Bevor wieder die Abers kommen, ich weiß, es ist nicht mehr so dramatisch und manche Männer nehmen ihren Erziehungsanteil auch pflichtbewusst wahr. Trotzdem obliegt die Hauptverantwortung bei der Mutter, vor allem nach einer Trennung.
Ein Vater darf sich offiziell anerkannt von seiner Verantwortung gegenüber dem Kind verabschieden, eine Mutter dagegen nicht. “Waaaas, du willst dein Kind dem Vater überlassen! Du bist doch nicht ganz dicht! Ein Kind gehört zur Mutter!”
Allein mit solchen netten Sätzen, könnt ich Bücher füllen. Naja, ich kann für mein abnormes Denkverhalten nichts, denn ich mich ein Wochenkrippen-Kind. Geil … Die Ausrede gefällt mir doch recht gut, je länger ich mich damit auseinandersetzte. Zwinkerndes Smiley

Forschung unter Druck

Innerhalb von fünf Jahren, so das Gesetz, sollen auf dem Gebiet der DDR 160.000 Kindergartenplätze, 40.000 Kinderkrippenplätze und 60.000 Heimplätze für Kleinstkinder entstehen. In der Folge steigt allein die Zahl der Wochenheimplätze für Säuglinge und Kleinstkinder, später Wochenkrippen genannt, von 2.500 im Jahr 1950 auf etwa 14.300 im Jahr 1955. Zehn Jahre später, 1965, weist die Statistik bereits 37.900 Wochenheimplätze für Kinder unter drei Jahren aus. (…)

Untersucht wird, wie gut sich die Kinder im Raum orientieren und bewegen können und wie weit ihr Sprachvermögen und Sozialverhalten entwickelt ist. Die Ergebnisse dieser Untersuchung offenbaren gravierende Defizite bei den Wochenkrippenkindern – in allen getesteten Bereichen. (…)

Erst wird geschrieben, dass es keine genauen Zahlen über Wochenkrippen-Kinder gibt. Dann wird doch mit irgendwelchen Statistiken jongliert. Wo kommen die denn auf einmal her? Die wurden doch nicht etwa fix geschrieben und zurückdatiert?
Beim Lesen des folgenden Absatzes musste ich lachen. Sorry Frau Wieden und/oder Frau Schmidt-Kolmer, Ihre Unterstellung spottet jeglicher Beschreibung. Ich kann mich sehr wohl im Raum orientieren. Aktuell sitze ich an meinem Schreibtisch, der sich im ehemaligen Schlafzimmer meiner Großeltern befindet. Zudem ist mir bewusst, dass ich mich beim Verlassens meines Büros nach rechts halten muss, denn aus den Fenstern, die sich geradeaus von mir befinden, möchte ich derzeit noch nicht springen. So schlimm ist mein Dachschaden nun auch wieder nicht.
So, mein Sprachvermögen ist einzigartig. Das weiß ich, denn ich verspreche mich gern und oft. Doch ich sehe es als Gabe, denn so entstehen immer wieder neue Wortkreationen. Ich gebe zu, in der hawaiianischen Muttersprache habe ich große Defizite. Aber das liegt daran, dass ich als DDR-Kind nicht nach Hawaii durfte, um mir diese dialektfrei anzueignen.
Mein Sozialverhalten bezeichne ich als kreativ der Norm entsprechend. Ich rülpse keinem ins Gesicht, der es zuvor nicht ausdrücklich von mir verlangt hat. Auch grüße ich mehr oder weniger gestenreiche die Leute, die ich mag und ignoriere großzügig die mir unsympathischen Bürger oder Gestalten. Kommt ganz darauf an, wie man es näher betrachten möchte. Wahrscheinlich habe ich einen so großen Wochenkrippen-Tunnelblick, dass meine Selbstreflexion einem Hohn gleicht.

Die Mama als Fremde

(…) Auch über Formen des Hospitalismus: ausdruckslos vor sich hinstarrende Kleinkinder, die ihren Oberkörper vorwärts und rückwärts schaukeln oder ihren Kopf im Gitterbett immer wieder hin und herdrehen, darf nach dem Mauerbau nicht mehr geschrieben werden.

René Grünewald verbrachte seine ersten Lebensjahre in einer Wochenkrippe. Wie prägend diese Zeit für den heute 46-Jährigen war, lässt sich heute nur schwer sagen. Eigene Erinnerungen daran hat er nicht. Wohl aber an den Tag als seine Heimzeit plötzlich endet:
(…)

Wochenkrippe mit einem Heim (bzgl. allg. negativer Verknüpfung) gleichzusetzen, finde ich persönlich – Achtung, Kritikkanonen dürfen geladen werden – unpassend. Ich war als junges Mädchen in einem Kinderheim. Die Verweildauer in einer solchen Einrichtung hat mich wirklich geprägt. Oder erlebte ich in diesen Tagen ein verdrängtes Déjà-vus?
Wenn ich das lese: “… ausdruckslos vor sich hinstarrende Kleinkinder, die ihren Oberkörper vorwärts und rückwärts schaukeln oder ihren Kopf im Gitterbett immer wieder hin und herdrehen …”, frage ich mich:
“War ich vielleicht doch wochentags im Kleinkindergehege eines Tierparks untergebracht?”
Mal ehrlich! Wie kann eine wissenschaftliche Person oder Autorin eines Artikels eine solche pauschale Aussage treffen? Und die ist meiner Meinung sehr oberflächlich formuliert, denn es findet kein Hinweis Platz, dass es auch Einrichtungen gab, in denen solche beschrieben Vorfälle nicht beherbergt wurden. In mir keimt der Vergleich mit einem Behindertenheimes in der frühen Nazi-Zeit auf. Das war grausam, aber wahrscheinlich bin ich zu gestört, um die Zusammenhänge richtig deuten zu können. Es sei mir verziehen.

Versprechungen der DDR-Gesellschaft

Waren DDR-Eltern besonders herzlos? (…)

Die Pädagogin und Dozentin Ute Stary geht von einer Klientel von mehreren Hunderttausend aus, die in Wochenkrippen untergebracht waren und heute zwischen 40 und 60 Jahre alt sind. Sie wollte schon als Studentin wissen: Welche Folgen hatte die DDR-Wochenkrippenbetreuung? (…)

Ja, ich bin herzlos aufgewachsen, jedoch lag das an meiner gewaltbereiten und alkoholschwangeren Familienidylle. Die Beziehungsschwierigkeiten rühren in meinem Fall von anderen familieninternen Problemen. Es kann Betroffene geben, die dieses Leid wirklich spürten. Jedoch trifft dies nicht auf alle Wochenkrippen-Kinder zu. Mich stört, dass in keinem Absatz darauf hingewiesen wird, dass es so sein kann, aber nicht wie beschrieben sein muss.
Aber so ist unsere Gesellschaft. Jeder, der täglich ein Glas Wein trinkt, ist automatisch ein Alkoholiker. Leute, die gern Süßes essen, werden automatisch dick und bekommen Diabetes. Menschen, die früher dummerweise in der DDR das Licht der Welt erblickten und zusätzlich die Schmach aushalten mussten, eine Wochenkrippe zu besuchen, sind automatisch psychisch gestört.
Tolle (am besten vegane) Wurst! Ist einfach und schlicht herleitbar. Alle mit Dachschaden sind automatisch ehemalige DDR-Bürger mit Wochenkrippenhintergrund. Das Klischee trifft auch dann selbstverständlich zu, wenn die Leute erst 2000 geboren wurden.

Und noch etwas zum Schluss

Ich bin verheiratet, trotz attestierten Bindungsproblems. Mein Sohn wird von mir bedingungslos geliebt, so wie es jede (gesunde) Mutter auf ihre Weise tut. Mein sinngemäßes Statement bei Facebook:
“Weil ich meine Vergangenheit sehr gut reflektieren kann. Und die Probleme, die ich früher hatte, waren anderer – von der Wochenkrippe unberührten – Natur (…) Es ging in dem Beitrag nicht um Verdrängung irgendwelcher Probleme, sondern darum, dass angeblich alle Wochenkrippen-Kinder ein Trauma davongetragen haben.” wurde wie folgt kommentiert, ausschließlich Rechtschreibfehler korrigierte ich:
“Michaela Schubert: Doch, einzig und allein ging es im eigentlichen Beitrag um die Traumata von Babys und Kleinkindern im DDR-System. Und nicht um Sie persönlich.”
Mein wirkliches Trauma ist wahrscheinlich, dass ich nicht zu den “(…) Babys und Kleinkinder im DDR-System (…)” dazugehöre.
Vielleicht weiß die Kommentatorin mehr wie ich? Vielleicht bin ich jünger wie gedacht? Vielleicht bin ich gar nicht in der ehemaligen DDR geboren? Wenn es um keinen persönlich geht, zweifle ich die Sinnhaftigkeit der oben erwähnte Studie enorm an. Ist man heute als Bürger unseres Sozialstaates nur anerkannt, wenn man in seiner Kindheit ein Trauma erlitten hat, in dem man sich tränenreich verliert und bis zum Geht-Nicht-Mehr jammert? Weiter wird in den FB-Kommentaren behauptet, dass jeder ein Trauma hat, ob er/sie will oder nicht.
Andere müssen es schließlich wissen und andere – wildfremde – Menschen haben immer recht, wenn es um einen persönlich geht. Quatsch, ich Dussel! Es geht doch gar nicht um die Menschen persönlich.
Egal, mir fehlt trotzdem das Wochenkrippen-Trauma. Haben die Erzieherinnen bei mir früher versagt? *Ironie-on* Ach du Schreck, ich bin ja benachteiligt. Ich armes Trauma-Opfer! *Ironie-off*

Trauma

22 Gedanken zu “Huch, Wochenkrippen-Trauma fehlt

  1. Brigitte Korb schreibt:

    Hallo, habe eben den Beitrag bei bei frontal 21 – wenn Eltern Fremde sind – gesehen und bin empört.

    Ich habe 3 Kinder und war geschieden. Keines meiner Kinder hat irgendeinen Schaden davon getragen. Die Wochenkrippe ging bis zu einem Jahr, dann kam die Tageskrippe und dann der Kindergarten. Die Babys haben nicht realisiert, das sie in einer Krippe waren. Meine Kinder haben alle die 10. Klasse abgeschlossen einer ist sogar Direktor an einer Bildungseinrichtung. Sie stehen mit beiden Beinen im Leben.
    Wie arm muss man sein um sich bei einem Sender Geld zu verdienen mit solchen haarsträubenden Unwahrheiten, da finde ich hat man wohl an anderen Umständen einen Schaden davon getragen, aber nicht in einer Kinderkrippe.

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    • Hallo Brigitte,
      danke für deine ehrlichen Worte und Einblicke in deinen Erfahrungsschatz.
      Die Sendung habe ich nicht gesehen, werde es aber nachholen. In der Mediathek wird es zu finden sein.
      Ich finde es schlimm, wenn solche Pauschalaussagen getroffen werden. Wochenkrippe, Kinderkrippe, Kindergarten, Früh- und Nachmittagshort haben mir nicht geschadet. Für meine familiären Misststände konnte ich nichts. Diese haben mich im Unterschied zur Krippe wirklich nachhaltig geprägt. Aber Schwierigkeiten in der Familie sagen nicht automatisch einen traumatischen Kindesverlauf voraus. Auch hier passt keine Pauschalaussage. Du sprichst es –
      aus meiner Sicht – richtig an.
      Gratulation, dass deine Kinder gesund und erfolgreich ihren Weg gegangen sind. 🙂
      Alles Liebe
      Michaela

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    • Ich habe den Beitrag soeben gesehen und bin schockiert. Mit keinem dargestellten Fakt kann ich mich identifizieren. Dazu muss ich sagen, dass ich mich wenig an diese Zeit erinnern kann. Zuhause hat ich defintiv weniger Liebe, als eben in dem Beitrag dargestellt wurde. Es wurde sich nicht mal die Mühe gemacht, das Gegenteil zu beleuchten. Echt traurig und beschämend, wie einseitig und lückenhaft berichtet wird.
      Mir fehlen schlichtweg die richtigen Worte…
      VG Michaela

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      • Andrea schreibt:

        Was ich gut finde ist, dass man das Thema Spätfolgen für betroffene Kinder mal ehrlich anspricht, das fehlt in der Öffentlichkeit. Ich glaube das würde das romantische Bild stören, dass man noch von Eltern erzählt, die nicht liebevoll mit ihrem Kind daheim umgegangen sind. Vielleicht möchten sich das die Reporter auch gar nicht vorstellen. Mir tut das sehr leid.

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      • Aufklärung finde ich grundsätzlich immer gut. Jedoch gehört dazu auch die Gegenseite, dass es auch Menschen gibt, denen es anders ergangen ist. Ich selbst bin beruflich mit Aufklärungen in einem anderem Themengebiet vertraut.
        Verallgemeinern ist eine Gefahr, die eine solche einseitige Berichterstattung unweigerlich mit sich bringt.
        Ich persönlich bin der Ansicht, es muss stets das Ganzheitliche betrachtet werden. Viele ungünstige Umstände können ungünstige Spätfolgen auslösen. Können, müssen aber nicht. Das ist meine Sicht, ohne darauf zu pochen.
        Viele Grüße
        Michaela

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    • Mentalist schreibt:

      Ich bin auch ein DDR-Kind, war nie in einer Wochenkrippe und mir gefällt die pauschale einseitige Bewertung von Wochenkrippen-Kindern überhaupt nicht. Ich habe mein Kind im Westem bekommen und gross gezogen. Ich habe jahrelang freiwillig Erziehungsberatung in einer West-Beratungsstelle genutzt, weil ich die Befürchtung hatte, vieles falsch zu machen, da ich ja ein DDR-Kind bin. Meine nette West-Sozialpädagogin sagte mir dann, wenn sich so manche West-Mütter solche Gedanken machen würde, wie ich es getan habe, viel zu viel, dann würde es wesentlich weniger gestörte Kinder geben.

      Ja, ich war irgendwie ein Aussenseiter damals in der Krippe und der Kita, weil ich relativ früh wieder arbeiten gegangen bin und mein Kind doch zu Selbstständigkeit, Mut und keine Angst vor Herausforderungen erzogen haben. Mein Kind ist heute über 25 Jahre alt, gut gelungen, beruflich sehr stabil, hat nette Freunde und interessant…., es ist noch in der Ausbildung wieder in den Osten gezogen. Es fühlt sich dort wohler.

      Was ich bei den West-Müttern alles so erleben musste und heute noch erlebe, erschreckend. Von Verwahrlosung, emotional und physisch, bis zum Wohlstandsverwahrlosungessyndrom. Ich habe sehr viele psychisch gestörte Menschen kennengelernt, die ihre Wurzeln in der ehm. DDR hatten.

      Ich arbeite im sozialen Bereich, wo ich mich als ehem. DDR-Bürgerin frage, was hat diese ehem. BRD bzw. das damalige und auch heutige System, mit den Menschen gemacht, dass sie mit dem Leben nicht zurecht kommen, seit Jahrzehnten von Sozialhilfe, heute Alg II leben und auch Bindungsprobleme haben. Aber….. es wird ja immer gerne in den bösen Osten geschaut und mit den Fingern dorthin gezeigt, als selber das eigene damalige und heutige System zu reflektieren.

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  2. Andrea schreibt:

    Den Tränen nahe hab ich gerade bei Frontal21 eine Frau, die in so einer Wochenkrippe war gesehen, die sagte sie hat als Kind keine Liebe bekommen und weiss nicht einmal wie sie Nähe zu anderen Menschen zulassen kann. In der Politik wird ja die Krippenpolitik der DDR unrealistisch verklärt und zu wenig aus der Perspektive der Kinder gesehen.

    Ich selbst und meine Familie komme aus den neuen Bundesländern, ich werde 40 in ein paar Wochen. Meine Schwester wird 45. Meine Schwester war in einer Krippe nur kurz aber das hat auch Spuren hinterlassen. Meine Mutter hat sie nach 3 Monaten aus der Krippe genommen und aufgehört zu arbeiten. In der DDR war man damit ein Einzelfall und man wurde auch diskriminiert dafür. Ich glaube das man mit dem Thema Krippe besonders bzgl DDR nicht ehrlich umgeht. Meine Mutter erinnert sich, dass die Kinder im Krabbelalter tagsüber hauptsächlich in Gitterbetten eingesprerrt waren. Mehr hat sie nicht mitbekommen, weil die Mütter durften in den 70ern in die Einrichtung nicht rein. Es kam vieles Zusammen, die zu der Entscheidung führten, dass sie ihr Kind tagsüber nicht mehr in die Krippe gab, wir reden hier nicht von einer Wochenkrippe. Ich selbst war in einem Kindergarten wo viele Kinder auch in der Woche schliefen und nur am Wochenende abgeholt wurden. Das ist sehr traurig. Ich selbst wurde Nachmittags abgeholt und hatte deshalb unter den anderen Kindern keine Freunde. Manchmal denke ich wenn man die heutige Politik sich anschaut wir kommen da wieder hin, obwohl wir es besser wissen sollten. Steht wircklich die Karriere der Mutter über allem, und dann sagt man seinem Kind später … das tut mir leid, das hab ich nicht gewusst“. Mit den Spätfolgen müssen dann die Kinder klar kommen und unter der fehlenden Eltern/KIndbeziehung leiden doch alle. Ich muss noch dazu sagen dass meine Mutter und meine ältere Schwester bis heute Probleme haben was die Beziehung betrifft, meine Mutter meint in der Zeit ist irgendetwas verloren gegangen was man nicht mehr reparieren kann…

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    • Liebe Andrea,
      danke für den ausführlichen Kommentar. Ich habe den Beitrag vorhin gesehen. Jedoch kann ich mich (nach wie vor) damit nicht identifizieren. Die Wochenkrippe hat bei mir keine Schäden hinterlassen. Für die Frauen, die im Frontal 21-Bericht zu Wort kamen, tut es mir ehrlich Leid. Sie und viele andere tragen spürbare und dicke Narben davon. Das geht mir nah, aber es war nicht überall schlecht. Und nicht jeder hat ein Trauma davongetragen. Das war und ist noch immer die Aussage meines Beitrags. Ohne jemanden, der Schlimmes erfahren hat, zu nahe zu treten.
      Beruf und Familie sind nicht immer einfach unter einen Hut zu bringen. Das war früher so und ist heute brisanter denn je.
      Viele Grüße
      Michaela

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  3. Andrea schreibt:

    Ich verstehe. Meine Mutter ist aber bis heute sehr bewegt darüber, wie man damals im Vergleich zu heute die Kinder behandelt hat in der DDR Krippe. Wir würden heute wohl nur den Kopf schütteln.

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  4. sören schreibt:

    @Bloggahontas
    warum fühlst du dich denn so angegriffen? Wenn es dich nicht betrifft ist doch alles gut 😉
    Soweit ich weiss wird das Thema gerade erst erforscht. Und an keiner Stelle wird gesagt, dass „alle“ die als Kind in Wochenkrippen waren einen Dachschaden haben müssen. Allerdings ist die Zahl psychischer Erkrankungen bei Wochenkrippenkindern höher. Punkt. Und das macht m.E. auch Sinn…

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    • Weil ich dem einfach mal meine Sicht der Dinge entgegensetzen wollte. Schließlich war auch ich Stammgast in der Wochenkrippe. Ich fühle mich (trotz psychischer Erkrankung, die woanders herrührt) nicht wirklich angegriffen. Ziel meiner damaligen Darstellung war der 😉-Blickwinkel.
      Ich bin der Ansicht, es muss nicht immer alles negativ dargestellt werden. Alles im Leben hat 2 Seiten.
      Viele Grüße und danke für deine Worte 😊

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    • Mentalist schreibt:

      Wie schon geschrieben, ich lebe seit Anfang der 90er im Westen und was glaubst du, wieviele psychisch erkrankte, auch lebensuntüchtige Menschen ich durch meine berufliche Tätigkeit kennengelernt habe, von denen sehr wenig in Kripppen geschweige denn Wochenkrippen waren. Die waren alle oft bis zum 3. Lebensjahr fein bei der Mama zu Hause und kleine verzogene Gören, die sich dann später im grauen Alltag nicht einfinden konnten usw. und so fort.

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      • Ich danke dir für deinen ausführlichen Kommentar und das Teilen deiner persönlichen, sehr interessanten Erfahrungen zu dem Thema.
        Herzliche Grüße 😃

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  5. Pohl schreibt:

    Ich bin auch ein Wochenkrippenkind! In wiefern mir das geschadet hat? weiß ich nicht! Wäre ich anders geworden? Das kann ich nicht sagen. Aber ich bin Mutter (inzwischen auch Großmutter) und für mich ist es bis heute unfaßbar wie eine Mutter ihr Kind im Alter von 6 Wochen für 5 Tage weggeben kann!!!
    Ich war gerade 2 Wochen mit meiner inzwischen 76-jährigen Mutter im Urlaub und das war nicht unser erster Urlaub. Das wollte ich nur erwähnen, weil es für mich nicht um Vorwürfe geht. Wir haben einen Frieden gefunden. Aber es ein schaler Nachgeschmack? Da ist diese Frage ob mann damals wirklich gewollt und geliebt wurde?

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  6. Katja Iljkic schreibt:

    Also wenn ich hier lese: … für mich ist es unfassbar, wie eine Mutter ihr Kind im Alter von 6 Wochen für 5 Tage weggeben kann……….. Da wurde man schlichtweg nicht großartig gefragt. Es wurde hier auch schon viel erwähnt, dass es in der DDR nun einmal so war, dass die Frauen sofort wieder arbeiten mussten. Und es ist auch bekannt, dass da in der DDR nicht lange diskutiert und gefackelt wurde. Wer nicht funktionierte, war asozial. So einfach. Die Frauen waren zumeist sehr jung, wenn sie schwanger wurden. Meist um die 20. Alles andere war schon alt! Und diese jungen Mütter wurden dann mit der Realität konfrontiert. Also ein ja fast noch Mädchen, bekommt ein Kind mit 19 oder 20. Dann stehen ihr 6 Wochen nach der Geburt zu. Und dann soll sie arbeiten gehen. Und zwar nicht nur 5 Tage halbtags, sondern 6 Tage im Schichtdienst. So und dann wird gesagt, sie kann das Kind ja so nicht betreuen. Dann gibt es die Möglichkeit in eine Kindergrippe. Das waren so viele Kinder, dass die ständig krank waren. Dazu kam, dass man dann den armen Wurm früh um 5 aus dem Bettchen zerren musste und ihn um 18 Uhr wieder abholen konnte. Da schliefen die meistens schon. Also gab man als Alternative die Wochengrippe. Mutter arbeiten, Kind betreut und am Wochenende besuchen oder abholen. Freitag Nachmittag holen und Sonntag wieder hin. Ja was denkt ihr denn heute hier. Das ging ja nicht anders. Und ich will auch auf die Möglichkeit von Zwangsadoption hinweisen, die bei asozialen Eltern gang und gäbe waren. Also standen die Mütter oder Eltern mit dem Rücken zur Wand. Natürlich bringt es das Herz und ich könnte mir das nicht vorstellen, aber wenn ich keine Wahl hätte. Die Diskussion bringt nichts. Das ist wie die Diskussion über Leute unter Diktaturen, die dort eben mitgemacht haben. Heute versteht man das nicht. Damals hatte man aber zum Teil keine Wahl. Entweder der eine macht es oder der andere. Macht man nicht mit, wird man bestraft oder ausgestoßen. Macht man mit, geht’s einem gut, macht man nicht mit geht’s einem schlecht und man wird geächtet. Man kann vieles von damals einfach nicht mit der Objektivität von heute betrachten, sondern aus dem Umständen von damals.

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  7. Andrea Alder schreibt:

    Ich liebe diesen Artikel.
    Auch ich bin ein 1974 geborenes Wochenkrippenkind, habe einen Masterabschluss, bin glücklich verheiratet, liebe meine Kinder und Stiefkinder und besuche regelmäßig meine Eltern.
    Auf Fotos aus der Wochenkrippe sehe ich glücklich aus…ich besitze kein wissentliches Trauma.
    Es gibt immer Ausnahmen, vielleicht bin ich Eine, die nicht wankend im Gitterbett saß 🙂

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